Von Tunneln und Elevatoren

Flensburger Brauerei modernisiert und erweitert Trockenteil – Neues Umpackmodul in Logistik angeordnet

Die Betriebswirtschaftlehre unterscheidet zwischen Ersatzinvestition, Rationalisierungsinvestition, Erweiterungsinvestition und Diversifikationsinvestition. Die Flensburger Brauerei deckte bei der Neugestaltung ihres Trockenteils das gesamte Investitionsspektrum ab. So wurden der Voll- und Leerguttransport effizienter gestaltet, die Palettierer, Elevatoren und der Palettentransport durch einen Komplettaustausch auf den neuesten Stand gebracht sowie die Leistung und Pufferkapazität des Trockenteils nachhaltig gesteigert. Zusätzlich verwirklichte die große Privatbrauerei des Nordens eine vollautomatisch arbeitende Umpackanlage. Butter bei die Fische, nennt man das dann wohl zurecht.

Wer davon ausgeht, dass der hohe Norden Deutschlands nur aus weitem, plattem Land besteht, irrt. In Flensburg geht es vielmehr recht eng und wellig zu. Ein Fakt, der die Flensburger Brauerei Emil Petersen GmbH & Co. KG dazu zwang, ihren Produktions- und Logistikbereich mit einem Tunnel zu verbinden. Einem Tunnel, der unter einer vielbefahrenen Straße etwa 80 Meter Strecke und zugleich etliche Höhenmeter überwindet. In diesem Verbindungstunnel werden Vollgut, Leergut sowie Leerkästen zwischen Abfüllung und dem an einem Hang höher gelegenen Logistikgebäude transportiert. Auf der ersten Ebene des Logistikgebäudes ist die Bepalettierung des Vollguts und der Leerkästen angesiedelt. Beide Ströme gehen anschließend mittels Elevatoren auf eine zweite Ebene, die über der eigentlichen Lagerfläche liegt und aus einer Stahlbaubühne besteht. Hier nehmen Stapler die Paletten mit Vollgut und Leerkästen abschließend ab. Auf der tatsächlichen Lagerebene wird wiederum das Leergut eingespeist und mit den Aufzügen nach unten zur Entpalettierung und schließlich zurück zur Abfüllung gefahren.


BMS Flensburg Vollgut LeergutVollgut, Leergut sowie Leerkästen der beiden Flensburger Abfüll-Linien werden durch einen 80 Meter langen Verbindungstunnel transportiert.

Instandhaltung und Ausfälle nicht länger zu kompensieren

Weit über 20 Jahre ver- und entsorgte die Flensburger Brauerei so ihre beiden Abfülllinien 1 und 2. Irgendwann konnten die häufige Instandhaltung und die wiederholten Ausfälle der installierten Maschinen aber nicht länger kompensiert werden. Außerdem war mit Abfüll-Linie 4 eine Bügelverschluss-Anlage für 40.000 Fl/h statt der bisherigen 35.000 Fl/h in der Planung. Kurz: Nur durch eine Investition in einen komplett neuen Trockenteil war die gewünschte Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit zu erreichen.

Es wurden unterschiedliche Konzepte erarbeitet. Die Tendenz ging hier zunächst zu einer Lösung, bei der nicht mehr Paletten, sondern Kästen auf die Lagerebene des Logistikgebäudes transportiert werden. Dieser Plan wurde auch ausgearbeitet, letztendlich aber wieder verworfen. Denn das hätte bedeutet, dass auch die gesamte Palettiertechnik auf dieser Ebene angeordnet werden muss. Dabei wäre Lagerfläche bebaut worden, die eher früher als später gefehlt hätte. So fiel die Entscheidung, die bestehende Anlage 1:1 zu ersetzen, sie dabei aber grundlegend zu modernisieren und in ihrer Leistung zu steigern. Dieses Projekt wurde anschließend als Ausschreibung an den Markt gegeben.

 „BMS war uns zwar direkt nicht bekannt, aber aus Projekten in der Branche. Wir haben uns ihre Technik außerdem genau angeschaut. Dabei hat uns ihre Portaltechnik überzeugt. Wir kennen die Stärken des Portals ja vom Hafen, von der Beladung der Container-Schiffe. Letztendlich war es also die Kombination aus den eingeholten Referenzen, der Portaltechnik und der guten eingereichte Planung, dass wir uns für die heutige Lösung entschieden haben“, erinnert sich Hans-Peter Heyen, Geschäftsführer Technik der Flensburger Brauerei, an den Projektbeginn.

 

…dann musste es schnell gehen

Die Auftragsvergabe erfolgte im August 2015. Abgewickelt werden sollte das Projekt nachfolgend in drei Teilbereichen. Der erste umfasste den Austausch der Transporteure im Verbindungstunnel. Danach war der Neubau der Palettierung im Logistikgebäude mit jeweils ein Ent- und Belader Unipal 105 mit Klemmkopf vorgesehen. Der abschließende dritte Teil beinhaltete den Neu- und Ausbau des Palettentransports. Nach der Auftragsvergabe musste es schnell gehen - bereits für November hatte die Flensburger Brauerei den Tunnelumbau angesetzt. „BMS war übrigens der einzige Anbieter in der Ausschreibung, der uns zusicherte, alle Transporteure bis zum November auch bauen zu können“, ergänzt Jürgen Deiß, Leiter Abfüllung & Betriebstechnik der Flensburger Brauerei. Vor dem Umbau verliefen im Tunnel insgesamt sechs Transportlinien. Zwei davon versorgten die beiden Abfüllanlagen mit Leergut und zwei entsorgten deren Vollgut. Die beiden zusätzlichen Bänder förderten die Leerkästen der beiden Abfüll-Linien zu einem separaten Palettierer. Diese Leerkästen entstehen in der Abfüllung aufgrund von ausgeschleusten und platzenden Flaschen.

 

BMS Flensburg PalettierbereichAuf den Tunnelumbau folgte die Neugestaltung der Palettierung und des Palettentransports inklusive Palettenaufzug, Palettenkontrolle, Palettenmagazine und Verfahrwagen. Vor allem die Portaltechnik fand die Flensburger Brauerei im Pack-und Palettierbereich besonders überzeugend.

Eine wirklich pfiffige Idee

„Hier hatte BMS die wirklich pfiffige Idee“, so Deiß, „die leeren Kästen mit dem Vollgut mitfahren zu lassen und sie erst über den Palettierer auszuschleusen.“ Dazu werden die Voll- und Leerkästen jetzt vor den Beladern auf zwei Bänder geleitet. Das Beladerportal setzt in Abhängigkeit des Zulaufs diese Vollgut- und Leerkästen auf die entsprechenden Palettenplätze. Leerkasten- und Vollgutpaletten fahren danach nach oben, wo sie der Stapler als Palettenviererblock abnimmt. „Wir konnten zwei dieser 65 Meter langen Transportstrecken durch den Tunnel sowie einen Palettierer einsparen“, freut sich Heyen.

Aber nicht nur die Zeit bis zum Tunnelumbau, sondern auch dessen Abwicklungsfenster selbst war sehr schmal bemessen: Maximal eine Woche durfte vergehen, länger waren die beiden Abfüll-Linien nicht außer Betrieb zu setzen. Die Frage lautete also: Wie lassen sich die Transporteure konstruktiv soweit vorbereiten, dass der Austausch in der gegebenen Zeitschiene stattfinden kann? Für den klassischen Weg, erst die eine und dann die andere Strecke ab- und wieder aufzubauen, hätte die Zeit nämlich niemals ausgereicht. Infolgedessen wurden in Pfatter vierstreckige Transporteur-Segmente vormontiert, bei denen Vollgut- und Leergut übereinander und die Linien 1 und 2 nebeneinander laufen. Jedes dieser Segmente überwand vier Meter vierbahnige Transportstrecke. Sie wurden im Stück nach Flensburg transportiert und im Tunnel zusammengesetzt. Die Flensburger Brauerei entschied sich übrigens bei allen neu verbauten Transporteuren für energiesparende IE4 Antriebe SEW Movigear. Auf den Tunnelumbau folgte die Neugestaltung der Palettierung und des Palettentransports inklusive Palettenaufzug, Palettenkontrolle, Palettenmagazine und Verfahrwagen. Neben der Modernisierung und der Leistungssteigerung wurde dabei gleichzeitig die Pufferkapazität des Palettentransports erhöht, um die Fahrhäufigkeit der Stapler reduzieren zu können. Eine zentrale Herausforderung waren in diesem Teilbereich die sehr langen freien Fahrwege der Paletten. Denn in diesem Fall müssen die Antriebe exakt synchronisiert sein, damit sie die Paletten nicht schräg ziehen und so eine Störung verursachen.

 

BMS Flensburg UmpackmodulDie Flensburger Brauerei realisierte zudem ein Umpackmodul mit vollautomatischer Be- und Entpalettierung. Dieser Teilbereich des Generalausbauplans wurde zeitlich vorgezogen

Die eine Linie wurde umgebaut, die andere produzierte

Konkret wurde die Linie 1 am 28. Januar 2016 stillgesetzt, während Linie 2 weiter produzierte. Es folgten vier Arbeitstage für die Demontage der Altanlage und der gebäudeseitigen Sanierung. Am 02. Februar startete die Neuinstallation und rund fünf Wochen später, am 01. März, ging die Neuanlage in Betrieb. Für Anlage 2 lautete das Zeitfenster: 10. März stopp, Verlagerung auf Anlage 1 und am 30. März start ihrer Inbetriebnahme. Erfolgreich abgenommen wurden beide Linien am 02. und 03. Mai 2016. Die Flensburger Brauerei verantwortete alle bauseitigen Maßnahmen wie Bodensanierung und Brandschutz. Die komplette Demontage, Montage, Automatisierung und Inbetriebnahme wurde seitens BMS schlüsselfertig abgewickelt. „Es war vom Projektmanagement und bezüglich der Logistik eine echte Herausforderung, eine Deinstallation, eine Sanierung und teilweise parallel dazu eine Neuinstallation hinzubekommen. Das war sehr sportlich, hat aber gut funktioniert“, fasst Deiß zusammen.

Zum weiteren Auftragsumfang gehörten eine Zentralschmierung für beide Abfüll-Linien, die alle Förderer und Maschinen versorgt, sowie die Anbindung der bestehenden Sortieranlage an den neuen Trockenteil. Hierbei wurde gleichzeitig ein interessanter Zweitnutzen geschaffen: Wenn die Abfüllanlage außer Betrieb geht, lassen sich nämlich die Leerpaletten der Sortieranlage in den Palettentransportstrecken zwischenpuffern. Auch das reduziert die Fahrstrecken der Stapler innerhalb der Logistik.

 

BMS Flensburg Kunden„Letztendlich war es die Kombination aus den eingeholten Referenzen, der Portaltechnik und der guten eingereichte Planung, dass wir uns für die heutige Lösung entschieden haben.“ Und mit diesem Entschluss sind Hans-Peter Heyen (l.) und Jürgen Deiß auch rückblickend rundum zufrieden.

Automatisierung der Mehrstückverpackung als Folgeauftrag

Mit der Realisierung des neuen Trockenteils hatte die Flensburger Brauerei einen Teilbereich ihres Generalausbauplans umgesetzt. Ein zweiter sah die Automatisierung der Mehrstückverpackung vor, die zu diesem Zeitpunkt mehr oder minder manuell umgepackt und palettiert wurden. Gerade dieses Segment verzeichnete in den letzten Jahren aber ein stürmisches Wachstum. Der Punkt war also erreicht, dass die Flensburger Brauerei vom manuellen Co-Packing zur automatisierten Lösung wechseln wollte - und das Projekt vorzog.

„Auch hier passte das Konzept von BMS einfach gut zu unseren Rahmenbedingungen. Alle anderen Lösungen waren sowohl bezüglich Leistung als auch beim Preis völlig überdimensioniert. Und da wir inzwischen die Erfahrung hatten mit der Palettieranlage, war es auch eine leichte Entscheidung“, erläutert Heyen.

Darüber hinaus besichtigten die Verantwortlichen der Flensburger Brauerei die Unimodul-Umpackanlage der Dinkelacker-Schwaben Bräu GmbH & Co. KG. Dabei wurde sehr schnell erkannt, dass im Gegensatz zu dieser in Flensburg eine maschinelle Palettierung notwendig ist. Dementsprechend erweiterte Flensburg das Projekt um ein Unipal 106 Portal zur Be- und Entladung.

Dieser Palettierer ist mit 11,80 Meter Länge der größte, der bisher mit einer Umpackanlage kombiniert wurde. Er übernimmt mit seinen beiden Achsen sowohl das Kastenent- und –beladen als auch das Palettenhandling. Und: Das Portal palettiert auch die Kartons, die das Unimodul umpackt. Hier ist der Wechsel auf einen Röllchen-Kopf notwendig. So ausgestattet, belädt das Portal mit einer Achse Kartons während die zweite weiterhin Kästen verarbeitet.

Das Unimodul wiederum packt 20er Kästen aus und die fertigen 6er-Packs in 24er Pinolenkasten ein, es packt aus 20er Kästen in Kartonverpackungen um, aus 16er Kästen die 0,5-l-Flaschen aus und die 4er-Packs in Kartonverpackungen wieder ein und es setzt die Flaschen aus dem 16er Kasten in Kartonverpackungen um.

Die Auftragserteilung erfolgte im Januar 2016. Sie umfasste die Palettierung, das Umpackmodul, alle notwendigen Transporteure sowie die Einbindung von Sixpacker und Kartonauffalter. Die Installation begann am 14. Juni 2016 und die Inbetriebnahme startete am 11. Juli 2016 „In KW 38 wurde die Anlage dann erfolgreich abgenommen. Sie ist einfach, verursacht geringe Umstellkosten, hat kurze Umstellzeiten und die passende Leistung – sie ist exakt das, was wir tatsächlich brauchen“, ist Deiß sichtlich zufrieden.


BMS EinpackerPfiffige Lösung: Die leeren Kästen werden mit dem Vollgut mittransportiert und erst über die Palettierer ausgeschleust. Die Flensburger Brauerei konnte so rund 160 Meter Transportstrecke durch den Tunnel sowie einen Palettierer einsparen.

Dort umpacken, wo es am sinnvollsten ist – in der Logistik

Das sind aber längst noch nicht alle Vorzüge: So wird jetzt da umgepackt, wo es vom Prozessablauf am sinnvollsten ist – in der Logistik. Stichworte in diesem Zusammenhang sind: verkehrsoptimierte Wege, Produktion mit höherem Wirkungsgrad und geringerem Umstellaufwand als in der Abfüllung, bessere Planbarkeit weil bedarfsgerechtes Umpacken mit aktuellem MHD, kein Einstauben der Verpackung und sehr kompakter Aufbau der Gesamtanlage. Gerade für Brauereien wie der Flensburger, in denen Fläche ein knappes Gut ist, ein wichtiger Aspekt. Nicht zuletzt ist es die Flexibilität, die für Deiß im gesamten Pack- und Palettierbereich für die Portaltechnik spricht: „Egal was die Zukunft bringt, ich kann es programmieren. Etwas nach rechts, nach oben oder unten. Das kann sogar über den Teleservice gemacht werden.“

Auch Hans-Peter Heyen zieht für sich und die Flensburger Brauerei ein positives Fazit dieser wirklich komplexen und vor allem zeitlich extrem fordernden Zukunftsinvestition: „Das es bei einem solch großen Projekt Bereiche gibt, die nicht von Anfang an perfekt laufen, ist klar. Entscheidend ist aber, wie man dann zusammen die Kuh so vom Eis bekommt, dass die Anlage zum Schluss den Erwartungen entspricht, die bei der Planung geweckt wurden. Rückblickend würden wir uns darum erneut für BMS entscheiden.“

 

Die Anlagen in Action sehen? Hier geht's zu den Videos: Umpacken und Palettieren

Erschienen in: Brauwelt / Januar 2017

 

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