Vier Abfüllwochen mehr im Jahr
Bartels-Langness-Gruppe, Kiel: „Fluide“ Trockenteillösung steigert Gesamtwirkungsgrad der Weinabfüllung nachhaltig
Wer schon einmal im Norden Deutschlands Urlaub gemacht hat, der kennt sie sicher – die famila-, Markant- oder nah & frisch-Märkte. Weniger bekannt ist aber, wer hinter diesen Einzelhändlern steht, die sich auf Norddeutschland konzentrieren: Es ist das Kieler Familienunternehmen Bartels-Langness Handelsgesellschaft mbH & Co. KG. Obwohl, zumindest Fußballfans sollten die Marke famila inzwischen bundesweit kennen. Und zwar als Trikotsponsor der Fußballer von Holstein Kiel, die als Aufsteiger in der aktuellen Saison der zweiten Bundesliga für Furore sorgen.
Das Stammgeschäft der Bela ist der Lebensmittelgroß- und -einzelhandel. Mit rund 90 SB-Warenhäusern und über 30 Supermärkten sind die Vertriebslinien famila und Markant in der norddeutschen Handelslandschaft fest verankert. Mit „nah & frisch“ und „IK – Ihr Kaufmann“ bietet Bartels-Langness selbstständigen Kaufleuten darüber hinaus eine zeitgemäße Variante der guten alten Tante-Emma-Läden. Großverbraucher wiederum finden ein umfassendes Angebot bei der CITTI-Handelsgesellschaft und in den bela-C+C-Märkten.
Ferner gehören heute verschiedene Aktivitäten in den Segmenten Convenience und Drogerie, im Bäckereihandwerk, im Fleischhandwerk, im Tiernahrungsfachhandel sowie eine eigene Wein- und Spirituosensparte zum Unternehmen.
Nördlichste Weinkellerei und Rebflächen Deutschlands
Die Bela-Weinaktivität kann dabei auf eine noch längere Tradition als das Stammhaus selbst zurückblicken: Die P. Schneekloth Söhne GmbH wurde bereits 1816 in Kiel gegründet, sie ist damit das älteste Unternehmen im Verbund. Seit 1950 gehört die nördlichste Weinkellerei Deutschlands zu Bartels-Langness. Aktuell werden in Kiel rund drei Millionen Flaschen jährlich abgefüllt und an die Kunden ausgeliefert. Tendenz steigend. Kennzeichnend für alle Schneekloth-Weine ist neben hoher sensorischer Güte ein ausgewogenes Preis-Leistungsverhältnis. Nicht umsonst hat die bekannte Gourmetzeitschrift „Feinschmecker“ Schneekloth bereits mehrfach mit dem „F“ für besondere Qualität ausgezeichnet.
Die Schneekloth-Weine werden im Kieler Gewerbegebiet „an der Alten Weide“ abgefüllt. Hierher war Bela im Jahr 1938 umgezogen und hatte den Großhandelsbetrieb neu aufgebaut. Bei dieser Verlagerung wurden in den umfangreichen Kellerräumen auch die heutige Weinkellerei sowie die Kieler Spirituosenmanufaktur eingerichtet. Das aktuelle Portfolio stammt dabei zu 75 Prozent aus Deutschland, 15 Prozent liefert Italien und 10 Prozent Frankreich. Sven Harm, Produktionsleiter in Kiel, nennt die Vorteile dieser Strategie: „So haben wir nicht nur die Hoheit über die Rebsorten, sondern auch über die Flasche, das Etikett und den Verschluss. Auf diesem Weg entgehen wir dem hohen Preisdruck bei den Weinmarken, die alle namhaften Handelsketten im Programm haben. Und wir können ein neues Produkt auch nur für kurze Zeit einführen oder das Sortiment permanent variieren, um Trends am Markt umsetzen zu können.“
Primäre Leistungsverluste nicht im Nass-, sondern im Trockenteil
Mit der zunehmenden Individualisierung stieß die bestehende Abfüllanlage allerdings an ihre Grenzen. Vornehmlich der Einpacker entpuppte sich als Nadelöhr. Dieser hatte weder Servotechnik noch vorgefertigte Formatteile, die eine Umrüstung mit wenigen Handgriffen erlauben. Vielmehr waren zahlreiche Detailarbeiten und Feinjustierungen notwendig, bis die neue Flasche wirklich lief. Hinzu kam die Anfälligkeit des Packers gegenüber Verschleiß und „mechanischer Alterung.“ Ausfallzeiten waren also ebenso wenig zu vermeiden wie Umstellzeiten beim Wechsel der Etiketten - und das ohne jegliche Puffermöglichkeit. Das Ergebnis: Nach weniger als 180 Sekunden stand der Füller und damit die Produktion. „Dieser direkte Rückschlag aufs Leitaggregat war nicht mehr aufzuholen, weil unser Füller am Anschlag arbeitet“, blickt Harm zurück.
Die primären Leistungsverluste traten also nicht im Nass-, sondern mehr und mehr im Trockenteil auf. Zeit zu handeln: „Wir haben uns zuerst die Frage gestellt: Wie können wir unser Flaschenportfolio sinnvoll standardisieren?“, erläutert Harm. Ergebnis dieses Prozesses sind deutlich weniger Flaschenformen, in die alle heutigen und zukünftigen Marken gefüllt werden. Durch diese Straffung wurde gleichzeitig erreicht, dass pro Arbeitstag in der Regel eine Flasche-zu-Flasche-Unstellung des Packers ausreicht. „Beim Etikett wechseln wir natürlich öfters. Hier ist unsere Vielfalt einfach größer“, so Harm.
Mit diesen Vorarbeiten waren die Rahmenbedingungen gegeben, um den Gesamtwirkungsgrad durch das Entkoppeln von Füller und Trockenteil zu steigern. Eine höhere Flexibilität und eine einfachere Bedienung waren weitere klar definierte Investitionsziele. „Unser Ansatz lautete, den Trockenteil hinter dem Verschließer mit einem leistungsabhängigen, vollautomatischen System abzupuffern. Der Puffer sollte uns erlauben, einen vollständigen Ausstattungswechsel am Etikettierer oder eine Störung in 12 bis 15 Minuten durchzuführen beziehungsweise zu beheben, ohne dass der Füller als Leitmaschine außer Betrieb geht“, fasst Harm rückblickend zusammen.
Atmender Puffertisch entkoppelt Trockenteil
Dazu wurde der neue Trockenteil bewusst mit Überkapazitäten ausgestattet. „Wir haben 4.200 Flaschen/h am Packer und etwas mehr an der Etima. Im Nassbereich liegt die Nennleistung in Abhängigkeit der Flasche bei 2.000 bis 2.300 Flaschen/h“, veranschaulicht Harm. Im Normalbetrieb laufen Nass- und Trockenteil mit identischer Leistung. Geht der Trockenteil außer Betrieb, fährt nach dem Verschließer ein Umlenkgeländer automatisch in den Flaschenstrom, der Motor läuft an und die Matten fördern die Flaschen auf den Puffertisch. Dieser bietet Platz für etwa 500 der durchmesserstärksten Flaschen, was der gewünschten Pufferzeit von 15 Minuten entspricht. Bei den schmäleren Flaschen verlängert sich die Puffer- und damit die Reaktions- und Arbeitszeit entsprechend.
Geht der Trockenteil wieder in Betrieb, schwenkt das Geländer zurück und der Motor wechselt die Antriebsrichtung, so dass die Flaschen von den Matten zurück in den Flaschenstrom gefahren werden. In diesem Moment regelt der Trockenteil seine Verarbeitungsgeschwindigkeit hoch. Diese Maximalgeschwindigkeit von Etikettiermaschine und Packer lässt sich wie ihre jeweilige Regelgeschwindigkeit über das Touchpanel des Packers variieren. Harm konkretisiert: „Wir fahren mit etwa 1.000 Flaschen/h Mehrleistung. Das reicht aus, um den Puffer schonend und damit sicher leerzufahren.“ Ist das der Fall, regelt der Trockenteil zurück auf Füllerleistung. Auch das wiederum vollautomatisch. „Das ist wichtig“, unterstreicht Harm, „weil bei rein händischer Regelung die Gefahr groß ist, dass eine Maschine vergessen oder falsch beziehungsweise zu spät reguliert wird.“ Übrigens: Diese Puffertischlösung inklusive ihrer steuerungsseitigen Umsetzung hat BMS für die Schneekloth-Anlage eigens entwickelt und erstmals realisiert. „Hier wurde einfach nicht nach Schema F vorgegangen, sondern immer die Frage gestellt: Wo liegt deine Herausforderung – und wie können wir sie lösen?“, stellt Harm heraus.
0,25-l-Range vom Dienstleister zurückgeholt und ausgebaut
Die Kombination von Puffertisch, Steuerung, Überleistung Trockenteil und Verschlankung des Flaschenportfolios erbrachte die von Bela angestrebte Mehrleistung. Das war gleichzeitig der Auslöser, die 0,25-l-Flasche ins Portfolio neu aufzunehmen. „Im Einschichtbetrieb mit drei Mitabeitern und unserem gestrafften Sortiment mussten wir dazu insgesamt vier Wochen Füllzeit im Jahr einholen. Durch den gesteigerten Ausnutzungsgrad und die verminderten Rüst- sowie Stillstandzeiten des Leitaggregats haben wir das geschafft. Wir konnten so die 0,25-l-Abfüllung vom Dienstleister zu uns holen und die Range um neue Rebsorten erweitern“, resümiert Harm.
Mit der 0,25-l-Flasche füllt Bela jetzt insgesamt sechs trockenteilrelevante Flaschentypen ab, für die der Portalpacker Unipack 2.0 umgebaut werden muss, der im Rahmen des Projekts ebenfalls neu installiert wurde. Von und zur 0,25-l-Flasche bedeutet dabei den größten Aufwand, weil sich hier auch das Packbild von 2 x 6 auf 2 x 12 ändert. Es müssen also der Packkopf und die Formatteile getauscht sowie das entsprechend hinterlegte Programm aktiviert werden. „Dieser Wechsel von groß nach klein nimmt keine 15 Minuten in Anspruch“, unterstreicht Harm. Der Umbau ist aber nicht nur schneller, sondern auch körperlich einfacher und sicherer. „Vorher war sehr viel personalifiziertes handwerkliches Geschick, Spezialwissen und Fingerspitzengefühl notwendig. Jetzt gibt es eine klare und eindeutige farbliche Zuordnung, man braucht keinerlei Spezialwerkzeug und wird intuitiv durchs Menü geführt“, stellt Harm heraus.
Packer zweigeteilt über Aufzüge eingebracht
Installiert wurde der neue Trockenteil im September 2016. Bestandteile des Auftrags waren neben dem Layout, dem Packer, dem Puffertisch und den Transporteuren auch die mechanische und steuerungstechnische Einbindung in die bestehende Linie. Das Einbringen der Anlagenteile war dabei nur über zwei Lastenaufzüge möglich, mit denen Bela das Vollgut vom Keller ins Erdgeschoss transportiert. Der Packer wurde aus diesem Grund im Werk zuerst aufgebaut und eingefahren, danach der Rahmen horizontal in zwei Teile getrennt, in dieser Form ausgeliefert und eingebracht sowie abschließend wieder mittels Schraubverbindung zusammengefügt. Harm erinnert sich: „An diesem Punkt sind übrigens die Hälfte der Anbieter ausgestiegen. Sie haben gesagt: Das ist unsere kleinste Anlage, wenn die nicht geht, geht es einfach nicht. Da tickt BMS ganz anders. Hier heißt es: Ok, dann wird es halt passend gemacht.“
Vorbildlich waren laut Harm auch Montage und Inbetriebnahme: „Das war eine super Truppe, die auch während des Projekts jederzeit noch Optimierungsarbeiten durchgeführt hat. Der Flaschentransport zwischen Etikettierer und Packer war zuerst mit einer Kunsstoffblende ausgestattet, die für einen sehr definierten Flaschenlauf sorgt. „Für uns war diese Lösung aber nicht gangbar“, erläutert Harm, „weil wir über keine automatische Etikettenkontrolle verfügen. Das machen die Bediener visuell – und dazu müssen sie das Etikett sehen. Kurzerhand wurden die Transporteure entsprechend geändert, schnell und unbürokratisch.“
Kampf um jeden Zentimeter
Mit Blick auf die reine Anlagenleistung war das Projekt unterm Strich also sicherlich nicht anspruchsvoll. Aber von der Art und Weise und unter den gegebenen baulichen Bedingungen dann eben doch. Die Einbringung mittels Aufzug zählt dazu genauso wie der Kampf um jeden Zentimeter Höhe. Die Aufstellung der Komponenten auf unterschiedlichen Höhenniveaus oder die „Deckenausfräsung“ über dem Packer sind hierfür eindrucksvolle Zeugen.
Letztendlich fällt Produktionsleiter Sven Harm nach nun über eineinhalbjähriger Praxiserfahrung auch ein rundum positives Gesamtfazit der Kieler Anlagenoptimierung: „Die Technik hat genauso überzeugt wie das Service-Netz, die Kompetenz beim Planen in ein kompliziertes Bestandsgebäude hinein, die Referenzen hier im Norden bei Flensburger, Hansa-Heeman sowie Holsten – und nicht zuletzt: der überaus positive zwischenmenschliche Umgang.“ Ein weiteres Projekt im „Weinkeller zu Kiel“ ist zumindest angedacht. Das Vollgut soll künftig über einen Spiralförderer ins Erdgeschoss transportiert und dort im Logistikbereich automatisch palettiert werden. Für die Mitarbeiter sicherlich eine angenehme Perspektive: Stapeln sie doch gut 16.000 Flaschen am Tag per Hand. Da kommen schon einige Tonnen zusammen. In den Kraftraum werden sie abends also nicht mehr zwingend wollen.
Erschienen in: Getränkeindustrie / Mai 2018